COMEDY:
Der Tango der Rashevskis

Ausgabe: DVD
Produktion: 2003
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Rosa Rahsevski geht es gesundheitlich nicht gut. Dolfo, ein ebenfalls schon recht betagter Angehöriger der Familie, reist nach Israel, um den früheren Mann von Rosa aufzusuchen. Dieser ist inzwischen Rabbi Shmouel (Moscu Alcalay) und betrachtet seine ehemalige Frau Rosa als nicht mehr zur Familie gehörig. Dolfo ist empört. Als er heimkehrt, kann er Rosa die schlechte Botschaft nicht mehr überbringen: Rosa ist in der Zwischenzeit verstorben.
Doch nun gehen die Schwierigkeiten erst los. Simon und David, Rosas Söhne, sehen sich auf einmal als Waisen, obwohl sie altersgemäß gestandene Männer sind. Ihr Vater, inzwischen ein streng gläubiger Jude, hat mit ihnen nichts mehr zu schaffen. Rosas Tod hat eine tiefe Lücke in die Gemeinschaft der französisch jüdischen Familie gerissen. Simon muss sich von seiner Frau plötzlich die Frage gefallen lassen, ob er sich auf einem jüdischen Friedhof begraben lassen wolle. Falls ja, könne sie als Nichtjüdin niemals neben ihm begraben werden. Nina, die ihre Großmutter noch einmal sehen möchte, wird darauf hingewiesen, dass Juden so etwas nicht machen. Dolfo begleitet sie dennoch zum Sarg, der mittlerweile schon verschlossen ist. Der Bestattungsunternehmer äußert sein Bedauern: Juden verlangten normalerweise nicht danach, die Verstorbenen noch einmal zu sehen.
Ein liebevoller Blick auf den jüdischen Glauben im Besonderen und Religiösität wie Menschlichkeit im Allgemeinen.
Zwar steht das Judentum im Mittelpunkt der Geschichte am Beispiel einer kleinen Familie, aber angesprochen fühlen darf sich jeder, der in westlichen Ländern versucht seinen Glauben zu leben. Die Probleme entstehen durch die Liberalität einerseits und den verschiedenen Schlüsselzeiten im Leben eines Menschen andererseits: Geburt und Tod.
Die Geschichte ist sehr ernsthaft und sehr menschlich erzählt. Lange Zeit habe ich nicht mehr so echte Charaktere in einer melancholischen Komödie dieser Art gesehen. Ich möchte behaupten, dass dieses eine französische (belgische), vielleicht auch noch eine italienische Eigenart ist, solcher Menschenbilder im Kino zu malen.
Dolfo ist ein alter Mann, ein Mensch, der durch seinen Glauben ein gerüttelt Maß an Kenntnis über die menschlichen Schwächen erlangt haben sollte. Gleichzeitig sollte er daraus gelernt haben. Trotzdem bezeichnet er am Pessach seine Schwiegertochter auf sehr unziemliche Weise als Ungläubige. Dieser kleine Fehltritt verstärkt die Ehekrise zwischen Isabelle und Simon. Es wirkt für die liberal lebenden Juden mehr als nur irritierend, dass eine Nichtjüdin mehr über ihren Glauben weiß als sie. Ja, es ist sogar ein beständiger Vorwurf.
Nina ist eine junge Jüdin, die er erst durch Rosas Tod wieder mehr zum Glauben findet. Leider war ihre Mutter keine Jüdin. So ist sie streng gläubig betrachtet keine Jüdin. Ihr Freund Antoine will trotzdem zum Judentum konvertieren und lässt sich sogar beschneiden. Er ist mehr als nur erstaunt, als er erfährt, dass die Rashevskis bis auf einen nicht beschnitten sind – nach dem Zweiten Weltkrieg vermied man diesen Brauch, aus Angst, die Nazis könnten eines Tages zurückkehren.
Das Judentum ist ein Thema dieser Geschichte. Menschlichkeit, Beziehungen, Generationskonflikte, Veränderungen, sogar die französische Lebensart sind die weiteren Sprossen in dieser Geschichte. Die Handlung existiert, aber sie hält sich dezent im Hintergrund, bildet nur das Gerüst einzelner miteinander verwobener Episoden, wie es scheint.
Die Bilder, genauer gesagt, die Kamera ist immer nahe an den Charakteren. Sie holt sie heran, ohne sie zu entblößen. Sam Gabarski gelingt es tatsächlich, dass der Zuschauer innerhalb dieser kurzen Zeit die Rashevskis mit all ihren Schwächen lieben lernt.
So liebevoll dieser Blick der Kamera auch ist, so ist er auch stets immer ein wenig traurig. Hier zeigt sich auf eindrucksvolle Weise wie nah Komödie und Tragödie beieinander liegen. Der Film spielt damit und verwendet dieses Rüstzeug des Erzählers auf prägnante Weise. Der Zuschauer bemerkt das spätestens, als der sympathische Dolfo Rosa folgt.
Ein sehr schöner stiller Film, der Menschen zeigt, die sich nicht so recht trauen, das Leben zu lieben und fröhlich zu sein.
Beide Daumen rauf!
[
mn ]
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