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Startseite » Fiction Zone » DER KLEINE KRIEGER » Der Unterhandel #1

DER KLEINE KRIEGER: Der Unterhandel #1


Auf den beiden Seiten des Flusses Chortach standen sich die rivalisierenden Gruppen der Djeloscha gegenüber. Hutzel Longear und sein Freund, der Walddämon Keinfussabhand, standen besorgt und unschlüssig auf einer schmalen Insel inmitten der träge dahinfließenden Wellen zwischen den Kontrahenten.

Djeloscha waren nicht für Diplomatie im herkömmlichen Sinne bekannt. Für sie bedeutete ein Kampf zweier Volksgruppen nichts anderes als eine politische Auseinandersetzung. Wenigstens so viel hatte der kleine Krieger bei seinem Aufenthalt in diesem Land herausfinden können. Gerne, sehr gerne, hätte er sich aus diesem Zwist herausgehalten, aber das war nicht möglich. Ein Versprechen band ihn an diese Mission.
"Wenn du einen Vorschlag hast, Ka, dann ist wohl jetzt die letzte Gelegenheit dazu", flüsterte Hutzel dem Walddämonen zu.
Keinfussabhand schnaufte zur Antwort. Es war sein üblicher geringschätziger Kommentar, den er stets in ausweglosen Situationen hören ließ.
"Danke!" Hutzel beobachtete, wie sich am linken Ufer eine Delegation aus fünf Tchok-Djeloscha aus der Masse des Heeres löste. Gegenüber verhielten sich die Umrak-Djeloscha ruhig. Diese Volksgruppe konnte nicht schwimmen und würde warten, bis er zu ihnen übersetzte.

Der kleine Krieger senkte kurz den Blick, ein gedankliches Stoßgebet an seinen Vulkangott. Keinfussabhand kannte diese Prozedur und schnaufte, weil er die Unwirksamkeit dieser Gebete kannte. Im Gegenteil, nach solchen Gebeten waren sie erst recht in Schwierigkeiten geraten. Vor Hutzel steckte sein Schwert im Inselboden. Er nahm es an sich. Verhandlungen der Djeloscha wurden immer bewaffnet geführt. Dies traf auch auf Unterhändler zu. Kein Insektoid würde die Meinung eines Unbewaffneten respektieren.
Die Tchok-Djeloscha wateten in den Fluss. Bei ihrem Anführer handelte es sich um ein beeindruckendes Exemplar. Der Körper glühte von innen heraus grünlich, was Hutzel seinen Informationen zufolge als Zorn oder Kampfesdrang interpretierte. Ein schlechtes Zeichen. Andererseits waren die Gefühle der Djeloscha an den Fingern einer Hand abzuzählen. Echter Zorn war selten und in diesem Fall gab es dafür einfach keinen Grund. Jedenfalls aus Sicht der Djeloscha.
Vor zwei Tagen hatte sich eine Drohnengruppe der Umrak auf dem Rückweg des alltäglichen Melkeinsatzes befunden. Mit auf den Rücken prall gefüllten Milchsäcken waren sie schon weit zwischen den verschiedenen Djeloscha-Territorien vorangekommen, als sie einer hungrigen Kampfeinheit der Tchok begegneten. Selbst innerhalb der Djeloscha waren die Tchok für ihre extreme Aggressivität bekannt. Die Umrak hatten ihre für Drohnen typisch demütigen Gesten gezeigt. Ihre Kiefern erzeugten klackende Bittgeräusche. Leider beeindruckten jene Zeichen die Tchok wenig. Ihr Hunger überwog die anerzogenen Verhaltensweisen. Die Krieger der Tchok fraßen die Drohnen der Umrak auf. Die Milch rührten sie nicht an. Ihre alte Gesellschaftsstruktur war nie auf landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgerichtet gewesen.

Dem kleinen Krieger war fremdartiges Verhalten nicht unbekannt. Zahllose Rituale hatte er auf seinen langen Reisen kennen gelernt, nicht immer hatte er sie auch verstanden. Die Gefühlskälte der Djeloscha war ihm ein auf ewig verschlossenes Rätsel.
Ohne jede Betroffenheit hatten die Umrak von dem Vorfall Kenntnis genommen. Gefressen zu werden schien ein Bestandteil der Djeloscha-Gesellschaft zu sein, dem ein Insektoid wenig Beachtung schenkte. Was weitaus schwerer wog, war der Umstand, dass es sich bei diesem Vorfall auf die Tchok bezog. Eben mit diesem Volksstamm existierte ein Abkommen, Drohnen beider Seiten in Frieden ihrer Wege ziehen zu lassen. Tl'umrak, Ratsmitglied im Kollegium der 113 Djeloscha-Völker, hatte Hutzel auf den Mangel an Drohnen beider Seiten hingewiesen.
"Nicht viele Arbeiter nennen die Umrak und die Tchok ihr eigen. Die Hälfte unseres Nachwuchses stirbt. Wir wissen nicht warum", hatte Tl'umrak gesagt.

Hutzel war nervös im Schneidersitz auf seinem Hosenboden herumgerutscht. Er hatte nach den richtigen Worten gesucht und gehofft, er würde sie finden. Die Universalsprache der Djeloscha machte eine Übersetzung nicht einfach. Die größten Schwierigkeiten bereiteten ihm die Klacklaute. Ein Blick ringsherum zeigte ihm den Harem von Tl'umrak mit schamvoll gesenkten Köpfen. Jedenfalls hatte er gemeint, die Umrak würden sich wegen ihres sterbenden Nachwuchses schämen. Wahrscheinlich würde er sich deswegen niemals sicher sein.
"Und wenn ihr", hatte der kleine Krieger begonnen, "selbst arbeiten würdet. Eure Anzahl ist doch groß genug. Ich meine, eure Krieger, eure Weibchen."
Ein Blitzen war in den pechschwarzen Augen der Umrak-Weibchen erschienen. Hatte er sie schockiert?
Tl'umrak war dem kleinen Krieger eine Antwort nicht schuldig geblieben. "Unsere Weibchen und unsere Krieger arbeiten nicht, kleiner Krieger! Niemals! Ihr Zweck ist die Arbeit nicht. Sie sind nicht dafür geschaffen. Weibchen gebären, Krieger kämpfen, Arbeiter dienen. Das ist unsere Struktur."
Hutzel wollte die Umrak nicht über Gebühr reizen, denn selbst das kleinste Weibchen war viermal so groß wie er. "Was ist, wenn die Zahl eurer Arbeiter noch weiter abnimmt?"
"Dann werden wir sterben", hatte Tl'umrak ihm geantwortet. "Die einzige Frage lautet, wie werden wir sterben? Im Kampf gegen die Tchok?"
Hutzel hatte darauf nichts zu entgegnen gewusst und kannte die Antwort auch jetzt noch nicht.

Wird fortgesetzt.

Quelle: Der kleine Krieger

[ mn ]


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