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Startseite » Fiction Zone » DER KLEINE KRIEGER » Geisterjagd #09

DER KLEINE KRIEGER: Geisterjagd #09


Langsam rutschte Hutzel von Rotans Schulter herab. Der Dreggen beeilte sich, geschickt war jedoch nicht. Kletterpartien waren Feeials Sache, er selbst war eher dem Kampf zugetan und stellte sich stets in die vorderste Reihe.
Noch höchstens drei Manneslängen trennten sie vom rettenden Boden, als Hutzels Ungeduld zu groß wurde und er Rotans breite Schultern losließ. Ermattet von den Strapazen kam er dennoch mit beiden Füßen auf dem Sand auf und wandte sich sogleich dem Kampf der beiden seltsamen Kontrahenten zu. Der Walddämon war niemand, dem Duelle bekannt waren, noch kannte er wohl ihre Bedeutung, doch wie er dem Geist gegenübertrat war es geradeso, als gäbe es eine tiefere Bedeutung seines Handelns. Selten zuvor hatte der kleine Krieger den Freund so wild gesehen und noch niemals hatte Hutzel die Gefährlichkeit eines Kampfes für den Freund so hoch eingeschätzt.
Hinter ihm kam Rotan auf dem Boden auf. Sogleich zog er sein Schwert, denn die versammelten Grimmschis standen unweit des Geschehens. Vorerst beobachteten sie nur. Das konnte sich aber bald schon ändern.
Der kleine Krieger versuchte den Schmerz in seinem verletzten Bein zu ignorieren, so gut er es eben vermochte. Er hatte nicht vor, seinen Freund den Kampf alleine austragen zu lassen. Wenn er den Ausgang dieser Auseinandersetzung zu ihren Gunsten beeinflussen konnte, würde er es tun. Er warf einen kurzen Blick in das Halbdunkel des Festungshofes.
"Kümmere du dich um die Grimmschis falls nötig. Ich helfe Ka!" rief Hutzel dem Dreggen zu.
"Nichts lieber als das", knurrte Rotan. Er behielt die Sklavenjäger im Auge, deren Reihe sich auseinanderzog, derweil sie sich neu zu positionieren begannen, weil sie vielleicht einen Angriff planten. Rotan suchte die Fremden nach ihrem Anführer ab. Es war die alte ungeschriebene Regel, nach der ein Heer ohne Anführer ebenso kopflos war wie ein Monster ohne sein schreckliches Haupt. Würde er den Gegner dergestalt treffen, dass ihm keine Befehle mehr zukamen, würden sie sich fraglos eher zurückziehen, als blind weiter zu kämpfen. Rotan hielt für einen Moment Umschau. Erst da fiel ihm auf, dass jemand fehlte: Feeial!

Hutzel hielt auf die beiden Kontrahenten zu. Genau in diesem Augenblick sprang Keinfussabhand auf den Gegner zu. Auf den Kampf konzentriert hatte er den sich nähernden kleinen Krieger nicht bemerkt. Das fürchterliche Gebiss des Walddämonen zielte auf die Kehle des Feindes. Keinfussabhand schnellte wie von der Sehne eines Bogens abgeschossen nach vorne, sein Maul schien so weit aufgerissen, als sei sein Unterkiefer ausgehakt. Die Geschwindigkeit des Angriffes ließ dem Geist des Gardan'Gre kaum Zeit zur einer Reaktion. Zwar riss er einen Arm abwehrend in Höhe, aber verhindern, dass der Walddämon mit seiner Attacke zu ihm durchdrang, konnte er nicht. Der absolute Erfolg blieb Keinfussabhand denn auch verwehrt. Die Kehle des Feindes packte er nicht, doch seine Zähne schlugen dem Gegner nur wenig unterhalb des Zieles durch den Brustpanzer in den Oberkörper.
Der Geist schrie auf. Klagen der Schmerzen mischten sich mit Wutgebrüll. Er hielt es nicht mehr aus. Entgegen der Vernunft ergriffen seine Hände das um sich schlagende Schwanzende des Walddämonen und zogen daran mit aller Kraft. Sofort stieg wieder Qualm von den Händen des Geistes auf. Seine Schmerzen vermehrten sich, und Keinfussabhand ließ trotzdem nicht von ihm ab.
In der Zwischenzeit hatte der kleine Krieger den Abstand zwischen sich und den Kämpfenden überbrückt. Er befand sich noch gerade außer Reichweite des Geistes. Aber auch diese letzte Manneslänge legte er weiterhin humpelnd zurück. Hutzel zog sein kurzes Schwert und hieb mit der flachen Seite nach dem Kopf des riesenhaften blassen Gegners.
Der Schlag traf den Geist völlig unvorbereitet - und noch viel wichtiger war: Er traf!
Bisher waren verzweifelt ausgeführte Schläge immer durch den Geist hindurch gegangen. Die Tatsache, dass er stofflich greifbar war, konnte überlebenswichtig sein.
Der Gardan'Gre warf sich in höchster Verwirrung zurück. Er hatte den neuen Gegner noch nicht gesehen und wusste ihn nicht einzuschätzen. Die Erkenntnis über seine Verletzbarkeit schockte ihn zunehmend. Fast übermannte ihn der Wunsch, dieser Kampf möge seinem untoten Dasein endlich ein Ende setzen. Es hatte zu viele Schmerzen gegeben, zu viele Kämpfe und zu viel Zeit war vergangen, während derer er nächtens in seinem Turm hockte, träumte oder Schatzjäger vertrieb, die keine Gefahr für ihn darstellten. Doch da gab es noch den Krieger in ihm, den, der nicht aufgab, solange noch ein Funken Hoffnung auf Sieg bestand. Dieser Funken war aber verschwindend gering.

***

Feeial starrte mit aufgerissenem Mund auf den vermeintlichen Schatz, der vor ihr in der Truhe lag.
Verschrumpelte Blütenblätter, schimmeliges Tongeschirr, kleine Messer, verrostete Talismane, deren Bänder verrottet waren und andere nutzlose Utensilien, die in anderen Kulturen keinerlei Bedeutung besaßen noch sonst irgendwie wichtig waren, da das Volk, das sie hergestellt hatte, lediglich in kleinen Gebieten des Dreggenreiches noch existierte.
Nichts, kein Schatz, nur verblichene Relikte einer untergegangenen Zivilisation. Das war also das kostbare Gut, das der Geist zu schützen geschworen hatte. Feeial rammte den Deckel der Truhe wütend zu. All die Aufregung, der Aufwand, die Mühen in dieser trostlosen Wüste, all das war umsonst gewesen. Sie stand aus ihrer gebückten Haltung auf. Im letzten Moment widerstand sie der Versuchung der unansehnlichen Kiste einen Tritt zu geben.
Die Vampirelfe wurde des Brandgeruchs gewahr. Natürlich, sie war immer noch oben im Turm. Und sie schalt sich, dass ihre offensichtliche Gier sie davon abgehalten hatte, den Freunden beizustehen. Nachdem sie ihr Schwert aufgehoben und das damit gesicherte Ende des Seils ergriffen hatte, kletterte sie auf den Fenstersims und schwang sich gleichfalls in die Tiefe. Dort weitete sich der Kampf aus.

***

Der Anführer der Grimmschis bedeutete seinen Mannen einen weiten Kreis zu ziehen, aus dem niemand dieser merkwürdigen Gruppe entfliehen konnte. Bei dem seltsamen weißen Krieger konnte es sich doch nicht um einen Geist handeln. Kein vernünftiges Wesen würde es wagen, ein solch mystisches, ja beinahe gottgleiches Wesen anzugreifen. Außerdem blutete es. Die Spuren im Sand waren allzu deutlich.
Die übrigen Grimmschis gehorchten. Sie schwangen dornige Keulen und schartige Schwerter und traten von einem Bein auf das andere, ungeduldig, aber beherrscht genug, um nicht ohne Befehl in den Kampf einzugreifen.

Rotan indessen sah die Situation ganz anders. Einem zögerlichen Feind konnte man zuvorkommen.
Rückendeckung zu haben, wäre ihm lieber gewesen, aber von Feeial sah er nichts. Er schaute den Turm hinauf. Endlich, stöhnte er gedanklich auf, endlich kommt sie nach.
Als erfahrene Kämpferin würde sie das Geschehen richtig einschätzen, das wusste er. Grimmig packte er den Schwertgriff mit beiden Händen und rannte mit Angriffsgebrüll auf einen der Grimmschis zu, den er als Anführer der Feinde ausgemacht hatte.

Wird fortgesetzt.

Quelle: Der kleine Krieger

[ mn ]


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